09 Oktober 2006

 

Umgang mit Geschichte

Nachdem ich heute morgen bei der Kasse der Uni mein Begrüssungsgeld doch noch erhalten habe und mir ein Buch kaufte, damit ich der studentischen Hauptbeschäftigung weiter nachgehen kann - nicht dass ich schon alles gelesen habe, was ich mitnahm ;-) - bin ich in den Humboldt-Hain gefahren, um im schönen Sonnenschein auf einer Parkbank zu lesen, was ich auch geschlagene drei Stunden tat.
Anschliessend vertrat ich mir ein wenig die Beine, was ja gut sei für den Kopf...
Auf jeden Fall stiess ich dann dabei auf die höchste Erhebung Berlins, die Humboldthöhe mit ihren 35m über NN (vgl. wikipedia). Es ist ein wunderbarer grüner Hügel, es gibt gar eine Rodelbahn.
Von der Aussichtsplattform hat man einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt, wobei der Ausblick selbstverständlich einiges schöner als die Stadt ist. Wie dem auch sei, nicht nur Photographen mit grossen Kameras werden behindert, sondern auch potenzielle Selbstmörder. Allerdings, sofern sie ihre letzten Kräfte aufbringen konnten, werden sie sehr wahrscheinlich das erwünschte Ende finden, wenn sie es schaffen, sich auf die den unteren Weg begrenzende Absperrung zu werfen [mir kommen da jetzt noch weitere unschönen Gedanken in den Sinn, die ich in Anbetracht des guten Geschmacks und sensibler Leserschaft nicht wiedergebe - sofern ich natürlich nicht bereits zu weit gegangen bin]... Eigentlich wollte ich damit nur sagen, dass ich micht nicht zu erinnern vermag, jemals an einem solchen Ort eine derartige Abschrankung gesehen zu haben. Einerseits hätte es in Berlin genügend Brücken und andererseits ergibt sich mit dieser Abschrankung ein spezielles Landschaftsbild. Um mich zu überzeugen, dass meine Ideen nicht allzu abwegig sind, habe ich mich zudem noch mit einem circa 50jährigen Deutschen darüber abgesprochen. Nun denn, wieso könnte man sich überhaupt von einer Seite von einem Hügel stürzen?
Es ist folgendermassen: Bei dem Hügel handelt es sich eigentlich um einen Schutthaufen (wie bei den meisten oder gar allen Erhebungen in Berlin) von ca. 1.5 Mio. Kubik Material. Dieses Material bedeckt einen Flakturm, der von Hitler 1941 auf eigenen Befehl in Auftrag gegeben wurde. Innerhalb zweier Jahre stand dieser, zum Teil mit 2,5m dicken Mauern. Die Alliierten vermochten ihn dann nicht vollständig zu sprengen, worauf er mit Trümmerschutt zugedeckt wurde, aber eben nicht ganz, weil auf der einen Seite das U-Bahntrasse liegt - ja, die U-Bahn ist in Berlin eben nicht überall eine U-Bahn. Es hat darin auch noch Hohlräume die man auf Führungen besichtigen kann - wie gesagt, das Teil war oder ist riesig, ist es doch 35m hoch (vgl. www.berliner-unterwelten.de).
Nun denn, ich hab mir das dann genauer angeschaut, es hatte Photos am Eingang - z.B. ist 1987 ein Student darin zu Tode gestürzt als er reinging und sich mit einem Freund umschaute... Mit einem komischen Gefühl nahm ich dann den Rückweg unter die Füsse und dachte dabei, was sich wohl alles für Trümmer unter meinen Füssen befinden. Ich versuchte mir vorzustellen, was die Steine dieses Berges wohl darstellten, bevor er hier lag, bevor dieser Flakturm stand...
In etwas grübelnder Gemütslage lief ich wieder der U-Bahnstation zu, um mich auf den Weg zum Alexanderplatz zu machen, den ich mir noch einfach so anschauen wollte. Ich sah dann einen Hund, schaute ihm beim schnuppern zu und staunte nicht schlecht, als die Besitzerin mich lachend ansah und ihn mit folgenden Worten rief: "Komm [weiss den Namen des Hundes nicht mehr], sonst kommen die Lümmel der SS wieder mit ihren Gummiknüppeln, die würden dich dann fressen."
Naja, dachte ich mir, das Leben geht weiter und vielleicht geht's am besten heiter...

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